Seit den 80er Jahren hat sich in der 3,5-Tonnen-Klasse der Vorderradantrieb durchgesetzt. Warum ist das so? Technik im Detail, Vor- und Nachteile im Überblick.
Die überwiegende Mehrzahl der Basisfahrzeuge für Reisemobile bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht setzt auf angetriebene Vorderräder. Selbst Mercedes Sprinter und VW Crafter, traditionell gusseiserne Verfechter des Hinterradantriebs, haben bei ihren jüngsten Modellgenerationen umgeschwenkt und bieten – alternativ – auch Einstiegsvarianten mit Frontantrieb. Das macht sie zunehmend interessant für Reisemobilhersteller.
Der Frontantrieb verschafft Marktvorteile
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Der weitaus erfolgreichste Fronttriebler der Branche ist – gemeinsam mit den fast baugleichen Citroën Jumper und Peugeot Boxer – der Fiat Ducato. Seit seiner Vorstellung 1981 hat er die Reisemobilwelt regelrecht revolutioniert. Beinahe über Nacht stach er Ford Transit, Mercedes T1, VW LT und Iveco Daily aus, dazu eine Reihe japanischer Lastenträger wie den Mitsubishi L 300 – allesamt mit Heckantrieb. Dethleffs war 1982 der erste Hersteller, der zuschlug. Weinsberg, LMC, Knaus und andere folgten rasch. Obwohl es schon vorher Transporter und auch Fahrgestelle mit Vorderradantrieb gab (Citroën Typ H, Fiat 238, Renault Master), setzte erst der Ducato das Antriebskonzept flächendeckend durch.
Bei Fahrzeugen mit Frontantrieb treibt der Motor, der in der Regel vor oder über der Vorderachse sitzt, die Vorderräder an. Bei dem inzwischen üblichen Quereinbau des Motors liegen Kurbel- und Antriebswellen parallel, was die Kraftübertragung auf die Räder konstruktiv vereinfacht und damit auch die Herstellung günstiger macht. Daraus resultieren zudem gute Platzverhältnisse in der Fahrgastzelle, da weder Motor noch Getriebe – wie bei älteren Transportern oft üblich – bis ins Fahrerhaus ragen.
Wieso ist der Vorderradantrieb günstig bei Reisemobilen?
Für den Bau von Reisemobilen hat der Vorderradantrieb noch eine Hand voll weiterer Vorteile. Weil eine Kardanwelle zur Hinterachse entfällt, spart das Antriebsprinzip Gewicht (gut für die Zuladung) und Herstellungskosten. Und es lässt dem Reisemobilhersteller viele Freiheiten, etwa bei der Anbringung von Tanks und Fächern.
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Außerdem kann der Rahmen hinter dem Fahrerhaus sehr tief ausgeführt werden. Das sorgt bei Nutzfahrzeugen für einen niedrigen Ladeboden und bei Reisemobilen für einen tiefen Einstieg. Auch kann die Gesamthöhe von Karosserie oder Kabine – trotz ausreichender Stehhöhe – niedrig bleiben, was einen tiefen Schwerpunkt zur Folge hat, der sich wiederum günstig auf die Fahreigenschaften auswirkt. Selbst Reisemobile mit Doppelboden sind mit einem Frontantriebschassis unter drei Meter Höhe zu realisieren.
Neben den Original-Chassisversionen des Fahrzeugherstellers liefert vor allem Alko Fahrgestelle, die noch tiefer und leichter sind. Sie bieten zudem den Vorteil, Radstand und Kröpfung mit Blick auf Mobillänge und Grundriss annähernd frei wählen zu können.
Wie fährt sich der Fronttriebler?
Das Fahrverhalten von Fronttrieblern ist tendenziell gutmütig mit einer Neigung zum Untersteuern. Die dynamischen Talente sind begrenzt, was bei Reisemobilen indes unproblematisch ist. Fahrzeuge mit Vorderradantrieb gelten allgemein als weniger traktionsstark als solche mit Hinter- oder Allradantrieb.
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Im Großen und Ganzen trifft das zu, auch wenn heute häufig mit elektronischen Regelsystemen gegengesteuert wird: Bemerkt so eine elektronische Differenzialsperre ein durchdrehendes Rad, bremst es dieses ab und schickt automatisch mehr Antriebsmoment an das gegenüberliegende Rad.
Unerwünschte Antriebseinflüsse in der Lenkung müssen bei Fronttrieblern konstruktiv eliminiert werden. Prinzipbedingt ist der Lenkeinschlag kleiner als bei Fahrzeugen mit Heckantrieb; das heißt, der Wendekreis ist bei gleichem Radstand etwas größer.
Tipps für mehr Traktion
In Sachen Traktion gibt es unter den Reisemobil-Basisfahrzeugen mit Frontantrieb große Unterschiede:
- Der verbreitete Fiat Ducato etwa erreicht durch eine günstige Gewichtsverteilung und andere konstruktive Maßnahmen eine vergleichsweise gute Traktion.
- Dagegen drehen die Vorderräder etwa beim Ford Transit relativ leicht durch. Besonders auf feuchter bzw. nasser Fahrbahn, bei Steigungen und in Kurven macht sich mangelnder Grip bemerkbar.
promobil rät: Machen Sie vor einem Kauf am besten eine Probefahrt und testen Sie die Haftungseigenschaften in diesen Fahrsituationen.
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Besondere Vorsicht gilt mit einem Fronttriebler beim Befahren von feuchten Wiesen, Sandflächen und anderen unbefestigten Untergründen, auch wenn das mit Einschränkungen auch auf Heckantriebsfahrzeuge zutrifft. Fahrzeuge mit mäßiger Traktion graben sich schnell ein, wenn die Räder durchdrehen. Dann ist man gut beraten, einen Klappspaten und eine Traktionshilfe dabeizuhaben, etwa die Faltrampe 6in1 von Uniko.
Fazit
Von Fahrzeugen mit besonders hohen Gesamtgewichten abgesehen, überwiegen für die meisten Reisemobile alles in allem die Vorteile des Vorderradantriebs. Seine Einführung war für die Reisemobilentwicklung ein technischer Meilenstein. Wer als Basisfahrzeughersteller in der volumenstarken Einsteiger- und Mittelklasse mitmischen will, braucht ein entsprechendes Angebot. Schon in den Jahren nach der Markteinführung folgten weitere Hersteller dem Ducato-Beispiel: Renault mit dem Master, Ford mit dem Transit. Und seit Kurzem gehören auch VW Crafter und Mercedes Sprinter dazu.