Nussbaumoptik, Schieferoberfläche oder einfarbig glänzend – Möbel aktueller Reisemobile lassen optisch kaum Wünsche offen und sind dabei federleicht. Das Geheimnis versteckt sich im Inneren.
Wer gerade den Kleinwagen in der Heckgarage des Liners parkt, macht sich wahrscheinlich keine Gedanken über Zuladungs- oder Führerscheinbeschränkungen. Für viele Reisemobilisten spielen sie aber eine wichtige Rolle. Die Einhaltung der3,5-Tonnen-Grenze, Zuladungsreserven und Kraftstoffverbrauch sind beim Kauf des neuen Fahrzeugs oft ausschlaggebend. Gleichzeitig werden die Ausstattungen aber immer umfangreicher und luxuriöser und die Basisfahrzeuge zugunsten von Sicherheit und Komfort schwerer.
Leichtbau ist also angesagt, auch im Inneren des mobilen Heims. Die Möblierung muss nicht nur einladend und langlebig, sondern auch leicht sein – ein Grundkonflikt und für die Ingenieure eine große Herausforderung. Aus den Entwicklungsabteilungen von Möbelbau-Spezialisten wie Vöhringer und Somaform oder von den Reisemobilherstellern selbst kommen immer leichtere Möbel, die fast alle nach einem bestimmten Prinzip konzipiert sind: dem Sandwichprinzip.
Ingolf Pompe
Die Oberfläche ist oft aus Papier und kommt von der Rolle.
Das richtige Material macht es aus
Schränke und Arbeitsflächen aus massivem Holz wären schlicht zu schwer. Deshalb wird in Schichten gebaut: Ein möglichst leichtes Innenmaterial wird mit einer stoßfesten Außenschicht verklebt. Abkürzungen für Kunststoffe wie EPP, EPS, PU oder HPL häufen sich in den Materiallisten. Der Klassiker unter den Möbel-Innereien ist Sperrholz. Es ist stabil, günstig und arbeitet im Nachhinein nicht mehr, wiegt aber bei mittlerer Dichte rund 400 Kilogramm pro Kubikmeter. Eine Menge Holz! Vor allem für Schränke und deren Fronten gibt es leichtere Alternativen. Weit verbreitet sind Holzplatten mit Pappwabenstruktur im Inneren. Nur der Rahmen dieser Platten besteht aus Holz, in der Mitte verbirgt sich ein Wabengeflecht, das bei hoher Steifigkeit zehnmal leichter ist als gängiges Sperrholz. Im Sandwich von zwei dünnen Holzschichten sparen die Waben jede Menge Gewicht und sind doch relativ stabil. Sie kommen sogar in Arbeitsplatten und übrigens auch in vielen Möbeln zu Hause zum Einsatz.
Ingolf Pompe
Knaus Tabbert experimentiert mit Pappwaben-Platten ohne Rahmen.
Jedes Gramm zählt
Mit den erwähnten Kunststoffen geht es noch leichter. Sie schlagen das Pappgeflecht in Sachen Gewicht und benötigen keinen Holzrahmen. Wie konsequenter Leichtbau mit Kunststoff-Sandwichplatten aussehen kann, hat Vöhringer auf dem Caravan Salon 2019 gezeigt. Der komplette Möbelbau des vorgestellten Conceptvan, eines über sieben Meter langen Mercedes-Sprinter-Ausbaus, wiegt gerade mal 200 Kilogramm. Erreicht wird dieser Wert mit voll und ganz auf Leichtbau getrimmten Möbeln, zum Beispiel aus EPS-Platten (Expandiertes Polystyrol), die im HPL- (High Pressure Laminate) statt im Holzsandwich stecken und an den Kanten mit PU(Polyurethan) vergossen sind. Das HPL hat neben hoher Stoß- und Kratzfestigkeit den Vorteil, dass die Oberfläche in Struktur und Farbe beliebig gestaltbar ist und keine weitere Folierung benötigt.
Die in der Praxis meist verwendeten Papierfolien haben aber ohnehin nur kleine Auswirkungen auf das Gewicht. Sie wiegen im Schnitt 80 bis 90 Gramm pro Quadratmeter und können ebenfalls Optik und Struktur vieler Materialien imitieren. Echtholz- oder Steinfurniere sind teurer und schwerer, dafür geben sie dem Interieur eine edlere Anmutung.
Andreas Becker
Leichtbau-Platten von Vöhringer mit HPL-Oberfläche in Holzoptik.
Für den radikalen Leichtbau-Weg, wie auch KnausTabbert ihn beim Caravan Travelino seit ein paar Jahren in der Serienfertigung geht, sind dicke Furniere nicht geeignet. Bei Knaus kommt EPP (Expandiertes Polypropylen) im Sandwich zum Einsatz – an den Hängeschränken wird sogar auf die Außenschicht verzichtet und der Schaumkunststoff offen präsentiert. Nichts für Echtholzliebhaber, die müssen dafür eben bei der Zuladung Abstriche machen.
Unser Tipp
Papierfolien sind im Vergleich zu Echtholz sehr pflegeleicht, denn Verschmutzungen können kaum in die Struktur des Materials eindringen. Mit scharfen Reinigern und rauen Küchenschwämmen ist die schützende Beschichtung aber schnell beschädigt und dann hilft nur noch austauschen. Ein weiches Tuch und etwas Spülmittel genügen meist schon, um den alten Glanz wiederherzustellen. Der schonende Umgang mit den Möbeln ist selbstverständlich, besonders über den Leichtbau-Arbeits- oder -Tischflächen sollten aber keine schweren Gegenstände gelagert werden. Sie können beim Herunterfallen vor allem in Pappwaben-Platten tiefe Löcher verursachen.