Der ADAC hat vier SCR-Systeme in Euro-5-Dieseln getestet. Darunter auch die am häufigsten für Wohnmobile genutzte Basis: Fiat Ducato. Das Ergebnis zeigt einen deutlich geringeren NOx-Ausstoß.
Der ADAC Württemberg hat zusammen mit dem baden-württembergischen Verkehrsministerium bewiesen, dass Nachrüstungen für Euro-5-Dieselfahrzeuge nicht nur funktionieren, sondern auch hochwirksam sind. Die getesteten Fahrzeuge stießen innerorts bis zu 70 Prozent und außerorts sogar bis zu 90 Prozent weniger Schadstoffe aus.
ADAC testet SCR-Systeme mit RDE
Getestet wurden ein gebrauchter Opel Astra, eine Mercedes B-Klasse und besonders interessant für Reisemobilisten, auch ein VW T5 und ein Fiat Ducato. Vier Systeme kamen bei dem Test zum Einsatz: Die Mercedes B-Klasse erhielt ein System von Dr.Pley, der Opel Astra eines von TwinTec, der VW T5 wurde mit der Abgasreinigung von Oberland-Mangold ausgestattet und der Fiat Ducato mit einem HJS-System. Das Ergebnis des Tests hat gezeigt, dass ein nachgerüstetes SCR-System, (Selective Catalytic Reduction) mit Harnstoffeinspritzung NOx-Emissionen deutlich verringert. Gemessen wurde übrigens mit mobilen Messgeräten (PEMS) im realen Straßenbetrieb (Real Driving Emissions, RDE), genau wie beim promobil-Abgastest.
Welche Basisfahrzeuge stoßen wie viel NOx aus?
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In der Auswertung zeigt sich, dass besonders der Fiat Ducato mit HJS-System deutlich weniger NOx ausstößt. Innerorts verringerte sich der Schadstoffausstoß um 53 Prozent und außerorts sogar um 78 Prozent. Nicht ganz so viel konnte das System von Oberland-Mangold beim T5 bewirken. Außerorts verringerte sich der NOx-Ausstoß um nur 4 Prozent, in der Stadt immerhin um 44 Prozent und schließlich sind das auch die entscheidenderen Werte. Mit den SCR-Nachrüstungen könnten Fahrzeuge mit Euro-5-Dieselmotoren zukünftige Fahrverbote umgehen.
Mit SCR-Nachrüstung Diesel-Fahrverbote umgehen
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann äußerte sich zu den Testergebnissen: “In Kombination mit den Software-Updates der Autohersteller, die neben Euro 5 auch Euro 6-Diesel umfassen, kann die Hardware-Nachrüstung eine NOx-Reduktion von über 50 Prozent bringen. Das reicht für die meisten Städte. Es geht, wenn man will. Die Bundesregierung muss nur den Weg frei machen für die Nachrüstung”.
Nach Ansicht des Automobil-Clubs sollten Politik und Hersteller schnellstmöglich handeln und Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Fahrzeuge anbieten, um ein drohendes Fahrverbot zu umgehen. Die Kosten für den Einbau eines solchen Systems belaufen sich zwischen 1.400 und 3.300 Euro. Diese sollten laut ADAC keinesfalls an den Verbrauchern hängen bleiben. Hersteller sollten sich an den Kosten beteiligen auch um das Vertrauen ihrer Kunden nicht zu verlieren.
“Der Test des ADAC Württemberg hat die Fake News der Industrie endgültig widerlegt: Hardware-Nachrüstung funktioniert”, sagt Dieter Roßkopf, Vorstandsvorsitzender des ADAC Württemberg. Winfried Hermann sagte außerdem: “Die Hersteller haben immer gesagt: Geht nicht, funktioniert nicht, ist zu teuer. Jetzt müssen sie endlich ran, denn sie haben schließlich die Verantwortung für die Schlechtleistung bei Euro 5-Fahrzeugen und für die schlechte Luft in den Städten.”
Die Automobil-Hersteller lehnen die volle Kostenübernahme kategorisch ab und auch der Bund will nicht allein auf den Kosten sitzen bleiben. Ein Lösung könnte die Anschubfinanzierung durch Steuergelder sein oder die Aufteilung der Kosten – ein Drittel soll der Bund zahlen, ein Drittel die Autohersteller und ein Drittel die Fahrzeugbesitzer. Was sich am Ende durchsetzen wird, steht nicht nicht fest.
Was ist eigentlich ein SCR-System?
Die Lösung soll das Selective-Catalytic-Reduction-, kurz SCR-System liefern. Mehrere Hersteller arbeiten an solchen “Diesel-Saubermachern” – so auch Abgasspezialist Twintec: Mit dessen BNOx-SCR-System sollen alle gängigen Diesel-Motoren mit Euro 5 sogar die ab 2020 gültige Euro-6d-Norm erfüllen – und das für rund 1500 Euro (zzgl. Einbaukosten). Twintec verspricht eine durchschnittliche Stickoxid-Reduzierung von 93 Prozent – unter Realbedingungen, nicht nur auf dem Prüfstand. Grund genug, sich das Prinzip genauer anzuschauen. Das BNOx-System besteht im Wesentlichen aus zwei Elementen: dem eigentlichen Abgas-Nachbehandlungs-System (siehe Fotoshow/unten) und dem Ammoniak-Generator (siehe Fotoshow/unten). Eine wässrige Harnstofflösung, auch AdBlue genannt, wird über ein Dosiersystem in den Generator gespritzt. Dort wird das AdBlue zu Ammoniak (NH3) aufbereitet. Ein mit dem Generator verbundener Heizkatalysator sorgt dafür, dass die Reaktion schon bei kühlen Temperaturen in Gang kommt und Ammoniak erzeugt wird. So kann die Stickoxid-Reduktion bereits bei Abgastemperaturen ab 150 Grad Celsius wirksam arbeiten. Über einen Mischer wird das NH3 in das eigentliche Abgasnachbehandlungssystem und somit direkt in den Abgasstrom eingeleitet und reagiert dort mit den Stickoxiden zu Wasser und elementarem harmlosen Stickstoff.
Ein ähnliches Prinzip nutzt auch Anbieter HJS aus dem Sauerland, jedoch mit einer anderen Herangehensweise: Zur Reduzierung der Stickoxide wird das SCR-System einem Oxidations-Katalysator und einem Diesel-Partikelfilter nachgeschaltet. Dem durchströmenden Abgas wird zunächst AdBlue eingespritzt, das zu stickoxidminderndem Ammoniak aufbereitet wird. Im letzten Schritt durchläuft das Ammoniak-Abgas-Gemisch dann den SCR-Kat. Auch mit diesem System sollen laut HJS die umweltbelastenden Stickoxidemissionen um bis zu 90 Prozent reduziert werden können. Beide Hersteller haben ihre Systeme mehrfach testen lassen – HJS legte mit einem Euro-IV-Fahrzeug fast 200 000 Kilometer zurück. Das Ergebnis lässt sogar die Besitzer älterer Diesel-Autos hoffen, denn die Technik funktionierte nachweisbar. Das scheint jetzt wohl auch die Automobilindustrie zu merken und erklärt sich nach anfänglichem Zögern gesprächsbereit. Und die Politik? Die ist sich weiter uneins – noch.
SCR-System von Twintec
Rund 30 bis 35 Kilogramm wiegt das BNOx-SCR-System von Twintec – inklusive Tank. Der Katalysator-Hersteller mit Sitz im nordrhein-westfälischen Königswinter und Teil der Baumot-Gruppe möchte Nachrüstsysteme für alle Motorengrößen entwickeln – darunter auch für die gängigen Basisfahrzeuge von Reisemobilen. Die Kosten belaufen sich laut Twintec auf etwa 1500 Euro. Hinzu kommen Einbaukosten von zusätzlich etwa 1000 Euro. Aus technischer Sicht soll das Twintec-BNOx-SCR-System bereits voll einsatzfähig sein.
Ammoniak-Generator (BNOx-Generator)
Gängige SCR-Systeme dosieren das AdBlue-Additiv direkt in die Abgasanlage am Motorausgang. Das BNOx-SCR-System greift dagegen auf eine für Dieselfahrzeuge weiterentwickelte Methode für Landmaschinen zurück, bei der AdBlue in einen eigens dafür eingebauten Ammoniak-Generator eingespritzt wird. Der Vorteil: Der BNOx-Generator erzeugt bereits ab Abgastemperaturen von 150 Grad Ammoniak. Die sonst üblichen AdBlue-Anlagen werden dagegen erst ab 220 Grad aktiv.
SCRT-System von HJS
1500 Euro kostet das SCRT-System von HJS. Zuzüglich Einbau fallen somit Gesamtkosten von etwa 2500 Euro an. Damit liegt HJS in Sachen Anschaffungskosten gleichauf mit Konkurrent Twintec.
Je nach Motorleistung kann das gesamte System zwischen 25 und 45 Kilogramm wiegen. Hinzugerechnet werden muss das AdBlue, das inzwischen an vielen Tankstellen in Deutschland erhältlich ist. HJS rechnet mit einem AdBlue-Verbrauch von ca. vier Litern auf 1000 Kilometer. Laut Hersteller sollte im Rahmen einer Fahrzeugwartung alle zwei Jahre lediglich eine Sichtkontrolle durchgeführt werden.
Nachgefragt bei Marcus Hausser
Herr Hausser, ist Ihr Diesel-Nachrüstsystem bereits in vollem Umfang einsatzbereit?
In technischer Hinsicht auf jeden Fall ja. Wir warten auf die Zulassungskriterien von Seiten des Gesetzgebers, der zunächst einmal noch definieren muss, welche Anforderungen ein System genau zu erfüllen hat. Dann können wir richtig loslegen.
Sie sprechen es selbst an. Warum verhält sich die Politik noch so zurückhaltend und auch skeptisch gegenüber der Diesel-Nachrüstung?
Ich denke, die ganze Problematik ist doch sehr lobbygetrieben. Aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahlen müssen sich die Politiker aber zwangsläufig zu diesem Thema positionieren. Deshalb rechne ich hier zeitnah mit einer Lösung.
Inwieweit stehen Sie in Kontakt mit der Automobilindustrie?
Nach anfänglichem Zögern spüren wir verstärkt ein zunehmendes Inter-
esse von Seiten der Automobilhersteller. Wir haben in naher Zukunft mehrere Projekte mit Erstausrüstern geplant – das stimmt mich sehr positiv und optimistisch.
Werfen Sie doch einmal einen Blick in die Glaskugel: Wo stehen wir in Sachen Diesel-Nachrüstung in einem Jahr?
Ich glaube, dass die Nachfrage nach einer Diesel-Nachrüstung immens sein wird, da ein Software-Update bei der Nachrüstung keine effiziente Lösung zur Stickoxid-Reduktion bei Euro-5-Fahrzeugen darstellt. Der Staat wird sich finanziell daran beteiligen, das sollte er zumindest meiner Meinung nach.
Fazit
Viel Rauch um nichts? Wohl kaum: Diesel tragen zu einem erheblichen Teil der Stickoxid-Emissionen bei, das ist Fakt. Und dennoch: Wir brauchen den Diesel wegen des Klimaschutzes – zumindest noch für einige Jahre. Studien belegen die Tauglichkeit der SCR-Nachrüstsysteme – sie sind eine echte Alternative zum Neukauf, gerade für Reisemobilbesitzer, die es auch mal in die Stadt zieht. Jetzt muss dringend ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der bei der Bevölkerung für Planungssicherheit in Sachen Fahrzeuganschaffung sorgt. Die Politik sollte zügig Klarheit schaffen – der Wirtschaft und der 15 Millionen Dieselfahrer wegen.