Sonderangebote wie im Supermarkt: Einige Händler unterbieten einander mit Discountpreisen. Schon für unter 30.000 Euro bekommt man offenbar ein nagelneues Reisemobil. Das klingt verlockend. Was steckt hinter den Schnäppchen?
- Überproduktion
- Günstige Preise
- Vergleichen lohnt sich
- Zubehörkauf
- Discount- und Hausmarken
- Ahorn Camp
- Marken-Wohnmobile
- Kommentar
Auf den großen Messen stehen sie meist am Rande: Die Anbieter mit den großen Preisschildern. Ein komplettes Reisemobil ist hier offenbar für weniger als 30.000 Euro zu haben – und damit nicht teurer als ein Mittelklasse-Pkw. Hier und da liest man etwas von Discount und Outlet. Das passt, denn die Billigmobile stehen auf der Messe so dicht gedrängt wie Schnäppchen im Supermarktregal.
Beim alltäglichen Lebensmitteleinkauf hat man sich längst an Billigangebote gewöhnt. Entsprechende Nachfrage verzeichnen die immer zahlreicheren Discountmärkte. Eines ihrer Erfolgsrezepte: sehr günstige und gleichzeitig verlässliche Eigenmarken.
Diese beliebte Idee verfolgen auch Reisemobildiscounter. Allerdings wecken allzu fantasievolle Namen in der Welt kostspieliger Freizeitfahrzeuge nicht automatisch Vertrauen. Woher kommen Billigmobile und warum sind sie überhaupt günstiger als die etablierten Marken?
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In einigen Fällen funktioniert der Reisemobildiscount ähnlich wie in der Lebensmittelbranche: Der Händler lässt sich von einem Hersteller eine gewisse Stückzahl von Reisemobilen als No-Name-Fabrikat bauen. Dann versieht er die günstig gekaufte Serie mit einem selbst gewählten Namen und vermarktet sie über den eigenen Betrieb. Hier hat man es letztlich mit der Hausmarke eines Händlers zu tun.
Dieser Weg steht grundsätzlich allen Handelsbetrieben offen – sofern sie einen Lieferanten finden, der mitspielt. Ein für den Käufer spürbarer Kostenvorteil kommt aber nur zustande, wenn der Betrieb große Stückzahlen zu attraktiven Preisen einkaufen kann.
Günstige Wohnmobile aus Überproduktion
Bei anderen Discountangeboten profitieren die Kunden von einer Fehlplanung der Hersteller. Wurden mehr Reisemobile gebaut als das eigene Händlernetz aufnehmen kann, braucht die Überproduktion einen eigenen Vertriebskanal. In diesem Fall geht schon einmal eine komplette Serie ohne Schriftzüge an einen Discounthändler. Wie an der Resterampe drückt er die ursprünglichen Markenmodelle dann unter eigenem Namen in den Markt.
Seit der Branchenkrise in den Jahren 2008 und 2009 produzieren die großen Hersteller nach eigenen Angaben stets auftragsbezogen. Damit sollte eine Überproduktion eigentlich ausgeschlossen sein. Dennoch sind sich Marktkenner sicher, dass demnächst wieder einige überzählige Modelle unter der Eigenmarke eines Billiganbieters auftauchen werden. Als dritte Spielart der Discounter kommen Importfahrzeuge hinzu, die auf ein klassisches Vertriebsnetz in Deutschland verzichten.
Genau genommen handelt es sich bei den italienischen Marken Giottiline und PLA um Reisemobilhersteller mit eigenständiger Entwicklung und Produktion. Zu uns gelangen die Modelle aber ausschließlich über Händler, die sich selbst mit den Begriffen Discount und Outlet umgeben.
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Einige der von Rimor gebauten X-Go-Modelle beweisen durch ein Renault-Chassis Eigenständigkeit.
Verworren wird die Situation für den Käufer, wenn Hersteller von sich aus Zweitmarken gründen, um neue Vertriebswege zu erschließen. So baut der italienische Hersteller Rimor ebenso Modelle unter den Namen Blucamp und Kentucky-Camp, die zu günstigen Preisen auf den Markt kommen, aber nicht zwangsläufig als Sonderposten verramscht werden. Mancher Wühltisch erscheint im Vergleich bestens geordnet.
Gut ausgestattete Modelle zu günstigen Preisen
Sehr unübersichtlich wirken ebenfalls viele Preislisten der Discounter. Beim hessischen Händler Gante entdeckt man als Einstiegsangebot ein kompaktes Alkovenmodell für nur 29.990 Euro. Allerdings entpuppt sich der sensationelle Grundpreis des Miller Winnipeg rasch als Theorie. Er ist an ein bestimmtes Finanzierungsangebot gekoppelt. Barzahler oder Kunden anderer Banken bezahlen 31.990 Euro.
Über Fahrzeuggewicht und Zuladung schweigen sich Prospekt und Preisliste aus. Dennoch wissen erfahrene Reisemobilkäufer, dass das vorgesehene Drei-Tonnen-Fahrgestell in dieser Klasse ebenso unüblich wie unzureichend ist. 3,3 Tonnen müssen es schon sein – macht weitere 999 Euro. Hinzu kommen happige Nebenkosten in Höhe von 1890 Euro. So summiert sich der Grundpreis – ohne gängige Extras – auf knapp 35.000 Euro. Immer noch sehr günstig, aber nicht mehr meilenweit von den attraktivsten Angeboten der Markenartikler entfernt.
28.999 Euro ruft Discounter Palmowski für sein Einstiegsangebot auf: ein familienfreundliches Alkovenmobil namens X-Go Dynamic Light. Auch in diesem Fall muss man 1890 Euro Nebenkosten addieren. Das Ford-Fahrgestell wartet immerhin serienmäßig mit Beifahrer-Airbag, Tempomat und 3,5 Tonnen Gesamtgewicht auf. Allerdings haben die Fahrgestelle noch einen Euro-4-Motor unter der Haube und weisen sich damit als Auslaufmodelle von 2011 aus.
Vergleichen lohnt sich
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Mit Blick auf deutsche Käufer entwickelte Giottiline ein günstiges Modell auf Basis des Mercedes Sprinter.
Ein kritischer Blick auf das Basisfahrzeug lohnt. So bauen etwa die Giottiline Therry ausnahmslos auf den Citroën Jumper. Technisch steht er dem praktisch baugleichen Fiat Ducato nicht nach. Geht es um den späteren Service, bringt das dichte Fiat-Werkstattnetz aber die besseren Voraussetzungen mit.
Käufer müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass veraltete oder seltene Fahrgestelle beim ohnehin erschwerten Wiederverkauf von No-Name-Marken zusätzlichen Wertverlust bringen können.
Viele Discounthändler machen eine andere Rechnung auf. Sie verweisen auf Preisvorteile durch günstige Sonderausstattungen. Wie beim billigen Jakob werden Extras obendrauf gepackt. Von der Gasflasche bis zur Markise gibt es fast alles zu Schleuderpreisen. Der Käufer darf sich wie im Schlussverkauf fühlen. Doch hier wie dort heißt es Ruhe bewahren. Die entscheidenden Fragen lauten: Handelt es sich bei den Anbauteilen um hochwertige Markenprodukte? Werden sie von einer Fachwerkstatt montiert? Und brauche ich diese Ausstattungen? Wenn man all dies guten Gewissens bejaht, steht dem Schnäppchenkauf nichts im Wege. Wer sich nicht sicher ist, kann Zubehör später einzeln nachrüsten lassen.
Augen auf beim Zubehörkauf
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Das Reisemobil für 30.000 Euro bleibt wohl ein Traum, dafür sorgen schon unverzichtbare Extras.
Skepsis ist angebracht, wenn der Händler und Vertragspartner die Extras nicht im eigenen Betrieb anbauen lässt. Sollte sich später herausstellen, dass der Aufbau etwa durch die Montage einer Sat-Anlage undicht wurde, kann der Verkäufer die Verantwortung von sich weisen.
Ohnehin dürfen Discountkäufer keine langjährige Kulanz oder freiwillige Garantien erwarten. Rechnen kann man allein mit der gesetzlichen Gewährleistung von zwei Jahren. Und man sollte wissen, was das bei eventuellen Mängeln bedeutet: Anlaufstelle ist stets der Händler, bei dem das Fahrzeug gekauft wurde – auch wenn er Hunderte Kilometer vom eigenen Wohnort entfernt liegt. Er wird auch Jahre später für die Ersatzteile zuständig sein. Denn der eigentliche Hersteller will üblicherweise nichts mehr vom markenlosen Mobil wissen, sobald es die Produktionshalle verlassen hat.
Für Schnäppchenjäger ein Grund mehr, Discountanbieter nicht nur am Rande der Messehallen zu besuchen. Bei einer Stippvisite im Handelsbetrieb erkennt man rasch, ob es der Anbieter mit Werkstattservice und Ersatzteillager ernst meint. Sonst kommt einen der Günstigkauf später teuer zu stehen.
Die Alternative zu Discountern: Händler etablierter Marken geben zum Saisonschluss Ausstellungs- und Auslaufmodelle günstig ab – das sind Schnäppchen vor der Haustür mit Service und Garantie.
Discount- und Hausmarken bei Wohnmobilhändlern
Gigant: Hausmarke des Handelsbetriebs Gante, unterschiedliche Hersteller, derzeit nicht aktiv.
Giottiline: italienischer Hersteller, Deutschlandvertrieb über Gante, EMR und Sawitzki, Grundpreis der Schnäppchen ab 35.990 Euro.
Glück’s Mobil: Eigenmarke folgender Händler:
- Caravan Wendt, 19300 Kremmin
- Freizeit-Center Albrecht GmbH, 21423 Winsen/Luhe
- Dümo Reisemobile Dülmen, 48249 Dülmen
- Reisemobile Brumberg, 59174 Kamen
- Schneider Caravaning GmbH, 69124 Heidelberg
- GÜMA Caravan- Motorcaravan KG, 68229 Mannheim
- Bernhard Glück GmbH & Co. KG, 85254 Sulzemoos
- Robert Harrer – Wohnmobil und Wohnwagenhandel, A-8162 Passail (Österreich)
- Alpha Motorhomes n.v., B-9140 Temse (Belgien)
Fertigung bei Capron (Hymer-Gruppe), Grundpreis der Schnäppchen ab 35.999 Euro.
Miller: Marke der italienischen SEA-Gruppe, Deutschlandvertrieb über Gante, EMR und Sawitzki, Schnäppchen-Grundpreis ab 31.990 Euro.
Orangecamp: Hausmarke des Handelsbetriebs Brinkmann, Fertigung bei Capron (Hymer-Gruppe), Schnäppchen-Grundpreis ab 36.799 Euro.
PLA italienischer Hersteller, Deutschlandvertrieb über Gante, EMR und Sawitzki, Grundpreis der Schnäppchen ab 35.990 Euro.
Nobel-Art Hausmarke des Handelsbetriebs Palmowski, unterschiedliche Hersteller, derzeit nicht aktiv.
Therry: oft eigenständig auftretende Baureihe von Giottiline.
X-Go: Marke des italienischen Herstellers Rimor, Deutschlandvertrieb über Palmowski, Grundpreis der Schnäppchen ab 28.999 Euro.
Alle Preise ohne Nebenkosten.
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Was macht eigentlich Ahorn Camp?
In den 1990er Jahren feierte die Handelsmarke auf dem Reisemobilmarkt beachtliche Erfolge. Damals importierte Joachim Reichmann italienische Modelle unterschiedlicher Hersteller und verkaufte sie unter dem Namen Ahorn Camp. Die clevere Idee fand schnell Nachahmer. Heute ist es still geworden um die Fahrzeuge mit dem Ahornblatt als Markenzeichen. Der Schwerpunkt von Ahorn liegt inzwischen auf dem Ersatzteilverkauf. Rund 20.000 Teile lagern in der kürzlich bezogenen Halle in Speyer, ein Geheimtipp für die Besitzer älterer italienischer Reisemobile. Info: Telefon 09340/92010, www.ahorn-wohnmobile.de
Marken-Wohnmobile unter 40.000 Euro
Günstig heißt nicht automatisch Discount. Auch in den regulären Preislisten der großen Marken kann man echte Schnäppchen entdecken. Mehr als 30 Modelle kosten weniger als 40.000 Euro – darunter befinden sich allerdings einige baugleiche Ausführungen. Wie bei Discountangeboten ist die Serienausstattung sparsam. Allerdings verzichten die großen Marken üblicherweise auf völlig unterdimensionierte Chassisvarianten und exorbitante Nebenkosten.
Kommentar: Sensationen sehen anders aus
Nicht überall, wo Discount draufsteht, ist auch Discount drin. Manche Billigangebote auf Reisemobilmessen erweisen sich unter dem Strich als viel Lärm um wenig Leistung. Wer wirklich sparen will, muss schon sehr genau hinsehen und vergleichen – da unterscheiden sich Discountmobile nicht von Markenprodukten. Dabei können Reisemobilanbieter aller Art von erfolgreichen Lebensmitteldiscountern lernen: Ein überschaubares Sortiment, nachvollziehbare Komplettangebote, praxisgerechte Qualität, flächendeckender Service, und das alles zu einem günstigen Preis – das wäre die Sensation auf dem Reisemobilmarkt.