Sitzmöbel im Wohnmobil unterliegen zwei Gefahren: der Mode und dem Verschleiß. Zusammen mit Rühl Leder zeigt Ihnen promobil, wie Polster erneuert werden – und zugleich eine neue Atmosphäre entsteht.
Der Aha-Effekt lässt nicht lange auf sich warten. Kaum ist das letzte Stoffkissen der Seitenbanklehne gegen das neue Lederpolster getauscht, präsentiert sich das Interieur unseres Dauertest-Wohnmobils in ganz anderem Flair. Was so ein paar neue Polster doch ausmachen.
Die Sitzgruppe des Adria Matrix Plus M 680 SP wirkt auf einmal noch einladender. Ein Eindruck, der nicht nur oberflächlich bleibt, sondern auch vom ersten Probesitzen bestätigt wird. Und nicht nur das: Der gesamte Innenraum erfährt durch das Umpolstern eine deutliche Aufwertung.
Edles Leder wertet den Innenraum auf
Die edlen Lederbezüge im Zweifarbendesign tun ihr Übriges. Farblich in Barriquerot und Sahneweiß gehalten, passen sie gut zum Rosenholz-Möbelde-kor des Matrix – und sie schmeicheln der Hand. Die Oberflächen-Struktur erinnert eher an Möbelleder denn an solches, das normalerweise in Fahrzeugen zum Einsatz kommt.
Hergestellt wird es aus ganz gewöhnlichen Kuhhäuten, die beim Schlachten anfallen. Anschließend werden sie in einem ganz speziellen Verfahren gegerbt und so letztlich nur bei der Rühl Leder Manufaktur (Telefon 0208/9409490, www.ruehl-leder.de) in Mülheim an der Ruhr weiterverarbeitet.
Wohnmobilleder: atmungsaktiv und angenehm bei allen Temperaturen
Firmen-Chef Stephan Rühl bezeichnet es explizit als „Wohnmobilleder”. Diesen Namen verdankt es vor allem einer wichtigen Eigenschaft: Es ist nämlich ausgesprochen atmungsaktiv. Dadurch nimmt es im Winter nach dem Platznehmen schneller die Körperwärme an und ist nicht so lange unangenehm kalt. Im Sommer heizt es sich dagegen nicht so extrem auf. Bei 30 Grad Lufttemperatur soll man auf Rühls Wohnmobilleder selbst in Bikini und Badehose sitzen können.
Für das Leder spricht jedoch noch mehr. Von Autoherstellern wie BMW und Mercedes wurden rund 30 Standards – zum Beispiel bezüglich Licht- und Reibechtheit – definiert. Nur Leder, das alle diese Vorgaben erfüllt, findet in Fahrzeugen der beiden Premiummarken Verwendung. Nach Rühls Angaben wird auch das Wohnmobilleder diesen gehobenen Qualitätsanforderungen gerecht.
Gegenüber Textilstoffen hat Leder üblicherweise – und das Wohnmobilleder im Besonderen – den Vorteil, robuster, einfacher zu reinigen und insgesamt langlebiger zu sein. Dabei spielt freilich auch die Pflege eine große Rolle und nicht zuletzt die Verarbeitung, wobei das Rühl-Team sehr gute Arbeit geleistet hat.
Vieles davon ist, wie in den Bildern zu sehen, wirklich noch echte Handarbeit. Sei es beim Zuschnitt des Leders oder beim Vernähen einzelner Teile. Bevor es so weit ist, steht aber erst einmal die Farbauswahl und eine erste Bestandsaufnahme an. Sind die vorhandenen Schäume in der Sitzgruppe noch brauchbar?
Neue Schäume – besserer Sitz?!
Meist werden anhand zuvor genommener Maße neue Schäume angefertigt. Einfach, weil viele der in Reisemobilen verwendeten Polster zu weich, instabil und bereits nach relativ kurzer Zeit durchgesessen sind. Erkennbar unter anderem daran, dass die Bezüge Wellen werfen. Um das zu verhindern, lässt Rühl Leder bei einem Zulieferer neue Schäume anfertigen. Sie zeichnen sich durch höhere Materialdichte aus. Die wiederum bewirkt, dass die Polster besseren Halt bieten, stauchfester sind – und es über viele Jahre bleiben.
Weiterer Vorteil: Bei der Anfertigung neuer Schäume können zum Beispiel besondere Konturen und Lordosenstützen eingearbeitet werden. Auch individuelle Vorlieben finden Berücksichtigung. Das gilt vor allem für die Sitzgruppen-Polster.
Bei den Frontsitzen ist der Gestaltungsspielraum deutlich eingeschränkter. Veränderungen an den falschen Stellen machen gleich eine TÜV-Abnahme erforderlich. Doch eine Lordosenstütze und eine Sitzheizung lässt sich auch hier ohne Weiteres nachrüsten und so der Sitzkomfort beim Fahren steigern.
Fast schon obligatorisch ist im Zuge einer Polster-Aktion der Umbau der Fahrersitze zu Pilotensitzen. Selbst wenn ein Reisemobil wie unser Adria Matrix Plus bereits über diese Art der Frontsitze verfügt, tauscht Rühl Leder die in der Regel nur aus einfachem Schaumstoff gefertigten Hussen über den Kopfstützen gegen hochwertige und stabile Formschäume aus.
Je besser die Schäume, desto höher der Sitzkomfort und desto besser die Optik, weil die Bezüge dauerhaft in Form bleiben. Bei den Sitzbezügen kommt das Wohnmobilleder in einer Stärke zwischen 1,1 und 1,3 Millimetern zum Einsatz. Für besonders filigrane Stellen, an denen sich nicht zu viel Material überlappen darf, kann es mittels einer Trockenspaltmaschine aber auch noch einmal bis auf die Hälfte reduziert werden.
Maßarbeit der Polsterbezüge
Schon beim Designen der Polsterbezüge kristallisieren sich sogenannte A- und B-Zonen heraus, die beim Zuschneiden berücksichtigt werden. A-Zonen sind alle später sichtbaren Bereiche. Bei ihnen ist darauf zu achten, dass das Leder schadfrei ist. B-Zonen sind die nicht sofort ins Auge fallenden Bereiche eines Sitzbezugs. Hier wird auch Leder mit kleinen Fehlern verarbeitet, oder es wird an ganz und gar unsichtbaren Stellen von vornherein eingespart und durch Filzstoff ersetzt.
Um Konturen eines Sitzpolsters herauszuarbeiten und die Bezüge vor dem Verrutschen zu sichern, wird beides an ausgewählten Stellen miteinander verbunden. Bei den Sitzflächen der Frontsitze übernehmen das spezielle Klammern. In die Schäume der Sitzgruppenpolster werden stattdessen Nahtgräben geschnitten. In sie wird der Bezug ein Stück eingelassen und dann auf der Polsterrückseite vernäht.
Grenzen beim Design der Bezüge kennt Rühl Leder so gut wie nicht. Zur Auswahl stehen derzeit mehr als 15 Farben, die einfarbig zum Einsatz kommen oder nach Belieben miteinander kombiniert werden können. Neben glattem ist auch gestepptes oder gerafftes Leder machbar. Ferner können auch Stickereien oder Leder-Applikationen in Carbon-Optik verwirklicht werden – eben alles, was der Geschmack so hergibt.
Bleibt die spannende Frage nach dem Preis. Wenn man von hochwertigem Leder, Handarbeit und individueller Gestaltung liest, scheut man den Blick in die Preisliste. Doch keine Bange. Beide Frontsitze kann man bereits ab 1100 Euro mit Leder beziehen lassen. Eine Halbdinette kostet ab 790 Euro, wobei zweifarbige Lederkombinationen oder Ziernähte nichts extra kosten. Der Aha-Effekt ist also gar nicht so kostspielig.
Lederreinigung und -pflege
Viel Pflege benötigt das Wohnmobilleder von Rühl Leder eigentlich nicht. Grund: Es ist von Haus aus imprägniert. Dennoch können Flecken entstehen. Vor allem, wenn man mit einer feuchten Jeans auf hellem Leder Platz nimmt und herumrutscht, bleiben mit etwas Pech Verfärbungen zurück.
Für diese Fälle legt Rühl Leder seinen Lederpolstern ein spezielles Pflegeset bei. Es besteht aus einem Reiniger, von dem man nur ein paar Tropfen auf ein weiches Tuch geben muss, um damit Flecken zu entfernen. Anschließend kommt in ähnlicher Weise der Conditioner zum Einsatz, der das Wohnmobilleder wieder versiegelt.
Vom Fahrer- zum Pilotensitz
Fremdkörper Frontsitze: In einigen, vor allem günstigeren Teilintegrierten, Alkoven oder Campingbussen passen die vorderen Sitze gar nicht zum wohnlichen Charme des restlichen Reisemobils. Oft sind es bloß die lieblos mit Schonbezügen versehenen Standardsitze des jeweiligen Basisfahrzeugs. Dass es auch schöner und bequemer geht, zeigt zum Beispiel Thomatex (Telefon 0 84 32/9 40 60, www.thomatex.de) mit seinen Sitz-Modifizierungen für Fiat-, Ford- und Renault-Sitze in Reisemobilen. Kostenpunkt: ab 200 Euro.
Dazu werden die Bezüge der Originalsitze zuerst komplett abgezogen. Im nächsten Schritt wird die Kopfstütze mit Schaumstoff verkleidet, wobei verschiedene Formen zu Auswahl stehen. Möglich ist es zum Beispiel auch, ein zusätzliches Kopfstützenkissen einzubauen oder an der Sitzfläche die Auflagefläche für die Oberschenkel zu verlängern. Allerdings sollte man hier bei Drehsitzen unbedingt auf die verbleibende Bewegungsfreiheit achten.
Zum Schluss wird der umgebaute Sitz neu bezogen. Polsterklammern verhaken den neuen Stoff dabei im Kern der Sitzfläche. So kann er sich nicht mehr verschieben. Und damit der neue Bezug zur bestehenden Wohnwelt passt, fragt man am besten mal beim Reisemobilhersteller nach dem entsprechenden Stoff. Pro Sitz werden 2,50 Meter benötigt.