Neues zur Aufbautechnik im Wohnmobil: Holzfrei und hagelresistent?


Es tut sich was in der Wohnmobilbranche: Holzfreie Wände, hagelresistente Dächer und verrottungssichere Unterböden bieten immer mehr Hersteller an. promobil zeigt, welche Materialien in Reisemobilaufbauten stecken und wie diese konstruiert sind.

Ein Reisemobil ist eine komplexe Angelegenheit. Wie im Körper ergeben viele verschiedene Bauteile ein funktionierendes Ganzes. Bleibt man bei diesem Bild, entsprechen die Reisemobilwände der Haut, und ganz wie beim Menschen erfüllt auch die Reisemobilhaut nicht nur einen dekorativen und schützenden Zweck.


Sie isoliert, gibt Stabilität, hält alles zusammen – und ist letzten Endes einer Vielzahl an schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Sonnenstrahlung, raue Witterung, Alterung: Die Liste ließe sich noch weiter fortführen. Um diesen Herausforderungen standzuhalten, hat die Natur ein geniales System entwickelt, das sich auch Reisemobilhersteller zu eigen machen: den Einsatz von Schichten mit unterschiedlichen Merkmalen und Funktionen.


Qualität und Eigenschaften dieser Schichten variieren je nach verwendetem Material. Die üblichen Verdächtigen im Reisemobilbau heißen Aluminium, EPS, XPS, PU, Holz und Glasfaser verstärkter Kunststoff (GfK). Gerade letzteres wird immer häufiger eingesetzt. Die hohe Widerstandsfähigkeit gegen Hagel und Steinschlag hat promobil in mehreren Test belegt. Das veranlasste immer mehr Hersteller, bei Dächern und Böden GfK zu verwenden.


Wieviel Holz ist in einem “holzfreien” Aufbau?

So gönnt Bürstner den neuen Teilintegrierten Nexxo und Travel Van einen holzfreien Wand- und Bodenaufbau. Ähnlich verfährt Dethleffs neuerdings beim Advantage. Mit der vergleichbaren Long-Life-Technology hat auch LMC seine Reisemobile entscheidend weiterentwickelt. Zum Einsatz kommen dabei ein GfK-Unterboden und XPS-Schaum als Isolierung. Die Wand besteht außen aus Alu, die Dämmung aus XPS-Schaum und die Wandverkleidung zum Innenraum aus Sperrholz. “Holzfreier Aufbau” bedeutet also nicht unbedingt, dass überhaupt kein Holz verwendet wird. Vielmehr bezieht sich diese Aussage vor allem auf die mittlere Schicht des Sandwichs. Hier wurde früher meistens ein Fachwerk aus Nadelholzlatten verwendet, dessen Zwischenräume mit dem Isoliermaterial EPS – besser bekannt unter dem Markennamen Styropor – ausgefüllt waren.


Von dieser klassischen Konstruktion nehmen viele Hersteller heutzutage Abstand und greifen auf XPS als Dämmstoff zurück. Dieser Schaum hat ist sehr steif, so dass man sich tragendes Holz-Fachwerk weitgehend sparen kann. Außerdem nimmt XPS so gut wie keine Feuchtigkeit auf. Ganz im Gegenteil zu EPS, das Flüssigkeiten wie Wasser oder Diesel aufnimmt, speichert und angrenzende Bauteile somit längerfristig befeuchtet. Was beim Kontakt mit Holz zum Problem wird, denn nur trockenes Holz ist dauerhaft stabil. Gelangt Feuchtigkeit ins Holz, verrottet es mit der Zeit und schädigt das Reisemobil. Reparaturen sind sehr teuer; im schlimmsten Fall kommt es zum wirtschaftlichen Totalschaden. In Sachen Verrottungsresistenz haben Kunststoffe wie PU und XPS gegenüber Holz die Nase vorne. Mit Blick auf die Haltbarkeit überwiegt dies die Vorzüge von Holz: die Nachhaltigkeit als nachwachsender Rohstoff, der günstige Preis und die relativ einfache Weiterverarbeitung.


Verstärkende Streben sind heute oft aus verrottungsresistenten PU-Leisten, was die mittlere Sandwich-Schicht holzfrei macht. Aber Achtung: Zur Verstärkung von Stellen, an die beispielsweise Möbel montiert werden, bei der Verschraubung der Gurtgestelle oder zur Befestigung von Türen und Klappen greifen manche Reisemobilhersteller immer noch auf Holzklötzchen zurück – was sie aber nicht davon abhält, den Aufbau trotzdem „holzfrei” zu nennen. Der Ersatz solcher Holzleisten durch Kunststoff-Teile kommt auch der Optik zugute, denn er sorgt für eine glattere Aluminium-Außenhaut – darauf legen vor allem Oberklasse-Hersteller Wert.


Die Verbindungen der Sandwichplatten

Die Verbindungen der Platten an den Aufbaukanten sind ein neuralgischer Punkt beim Reisemobilaufbau. Das liegt daran, dass sie mehrere Funktionen erfüllen. Da sie den Übergang von einer Sandwich-Platte zur anderen markieren, müssen sie vor allem die Dichtigkeit gewährleisten. Eine weitere Aufgabe der Kantenverbindungen ist es, für die Steifigkeit und Stabilität des Aufbaus zu sorgen. Die Verbindungen wurden früher verschraubt und abgedichtet, heute mehr und mehr verklebt und teilweise zusätzlich verschraubt.


Für die Stabilität der Verschraubungen spielt das Trägermaterial eine entscheidende Rolle. Eine Verschraubung im Isoliermaterial würde nicht halten. Darum werden in die Sandwich-Plattenränder Leisten aus Holz oder hoch verdichteten Schäumen eingearbeitet, die Schrauben ausreichend Halt geben. Kantenleisten aus Holz finden vor allem in der Einsteigerklasse Anwendung.


Wann ist Holz besser als Plastik?

Holz hat sich hier seit Langem bewährt: Es ist gut zu verarbeiten, bei hoher Festigkeit noch relativ leicht, und es geht mit Klebstoffen solide Verbindungen ein. Diese klassische Art der Kantenverbindung sieht man zum Beispiel bei Sunlight und Carado: Die Kanten treffen stumpf aufeinander und werden verschraubt und zusätzlich mit einem Dichtkleber versiegelt. Eine Klammer sorgt für zusätzlichen Halt.


Eine andere Art der Kantenverbindung stellen Profile dar, die aus Aluminium gefertigt sind. Mit diesen werden die Wand- und Dach- bzw. Bodenkanten verklebt, was eine hoch verwindungssteife Verbindung ergibt. Solche Strangprofile trifft man eher in der Mittelund Oberklasse an, zum Beispiel bei Eura Mobil und Carthago. Doch Profil ist nicht gleich Profil: In der Praxis gleicht keines dem anderen. Eura Mobil greift beispielsweise auf ein Halbprofil zurück, das nicht bis zur Innenwand durchgeht. Das hilft der Isolierung, Wärmebrücken werden so verhindert.


Wie verhindert man Wärmebrücken?

Eine andere Art der Eindämmung von Wärmebrücken stellt das System von Carthago dar. Das sogenannte Ringankerprofil an der Boden-Wandverbindung reicht bis in den Innenraum; ein GfK-Inlay an der Alu-beplankten Innenwand und eine weitere Schaumschicht darüber minimieren die Wärmebrücke jedoch weitestgehend. Die Wand-Dach-Verbindung sieht anders aus: Die Seitenwand wird oben gebogen und dann auf Stoß mit dem Dach verklebt. Ein Profil deckt die Nahtstelle ab und sorgt für zusätzliche Stabilität. Damit man die Seitenwand überhaupt biegen kann, muss der XPSSchaum eingeschlitzt werden.


Ähnlich geht auch Hymer vor. Hier wird jedoch das Dach nach unten gebogen und dann mit der Seitenwand verklebt, die Naht deckt ein Kunststoffprofil ab, das ein Stück in die Wand ragt. Konstruktionen unterscheiden sich nicht nur von Marke zu Marke, sondern können auch bei ein und demselben Modell unterschiedlich sein.


Aufbau-Alternativen

Die Monocoque-Bauweise ist eine Alternative zum herkömmlichen Sandwich-Aufbau. Hierbei werden Wände und Dach sowie unter Umständen auch Boden und Front aus einem einzigen nahtlosen Kokon gefertigt. Dadurch gibt es keine Nähte, durch die Wasser eindringen kann. Die Monocoque-Bauweise ist allerdings sehr aufwendig, teuer und selten.


Das Grundmaterial ist Glasfaser verstärkter Kunststoff (GfK), der sich in fast jede Form bringen lässt. Eine Negativform der Kabine wird zunächst mit dem sogenannten Gelcoat, das später die Oberflächenbeschichtung bildet, ausgespritzt. Danach bringt man Schicht für Schicht mit Harz getränkte GfK-Matten auf, ohne Luftblasen einzuschließen. Anschließend muss alles aushärten.


Monocoque-Reisemobile gibt es zum Beispiel von La Strada, Wingamm oder Wanner. Auf welche Art und Weise auch immer ein Reisemobil gefertigt wird, in erster Linie muss es dicht und stabil sein. Nur dann kann man sich als Reisemobilist in seiner zweiten Haut auch richtig wohlfühlen.



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