Gebrauchtkauf-Check Mercedes James Cook: Stern, schnell, gut?


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Nobler Kasten: Vertrauen auf den Stern des schwäbischen Autobauers ist die eine Sache, doch Kontrolle ist besser. Zwei Fahrzeuge im Kaufcheck.

Die Preise für die Fahrzeuge auf Basis des Mercedes Sprinter folgen offenbar eigenen Gesetzmäßigkeiten. Fahrzeuge unter 17000 Euro sind kaum am Markt. Wohlgemerkt: Die Wagen sind zwölf Jahre alt und haben teilweise um die 200000 Kilometer abgespult. Es sind wohl die recht hohen Neupreise und die vielleicht betörende Wirkung des Sterns, die für abgehobene Preise sorgen. Während der Gebrauchtspiegel Schwacke für diese Reisemobile gut 10000 Euro als Verkaufspreis ausweist, gehen die noblen Kastenwagen zum Teil für das Dop­pelte weg, ungeachtet der Tatsache, dass die frühen Sprinter ohne Nachrüstung keine der sogenannten Feinstaubplaketten bekommen. Anscheinend ist die Nachfrage größer als das bescheidene Angebot.


Bei der Suche nach attraktiven Offerten stießen die promobil-Tester auf zwei Inserat im Internet – beide Fahrzeuge haben sie vor Ort geprüpft.


Testfall Nr. 1: Sehr gut erhalten

Ein Privatanbieter aus dem rheinischen Burscheid hat seit gut zehn Tagen seinen James Cook inseriert: Erste Hand, original 65000 Kilometer, einige Extras wie Differenzialsperre und Zentralverriegelung, außerdem seit zwölf Jahren scheckheftgepflegt. Zum verabredeten Besichtigungstermin führt der Besitzer, ein ehemaliger Firmeninhaber im Ruhestand, das anonym arbeitende Testteam zum Fahrzeug, das unter einem riesigen Carport parkt. „Das habe ich damals extra für den James Cook bauen lassen“, erklärt er bei­läufig. Wehmütig resümiert er: „Eigentlich schade, dass ich das Fahrzeug nur so wenig nutzen konnte.“


Vier große Reisen waren es nach den Angaben des überaus seriösen Mannes, davon eine nach Marokko. Im Winter stand der James Cook immer unterm Dach. Und so blieb der noble Kastenwagen wie neu, Zustandsnote eins bis zwei. Gebrauchsspuren gibt es wenig. Eine Reparaturstelle an einem vorderen Seitenfenster ist das einzige Provisorium, das angesichts der hohen Ersatzteilpreise blieb. Von sich aus bietet der Verkäufer eine Probefahrt an. Der Wagen läuft mit seinem 122-PS-Fünfzylinder tadellos, die Viergang-Automatik erhöht den Fahrkomfort, auch wenn sie ab und zu die Gänge etwas hart wechselt.


Die Bremsen sind einwandfrei. Neue Bremsscheiben, in die der Besitzer investierte, waren der Tribut der langen Standzeiten: Die alten waren angerostet. Keine Frage: Wer einen exzellent erhaltenen James Cook sucht, ist hier am richtigen Platz. Das Burscheider Top-Exemplar demonstriert einmal mehr die große Bandbreite der im Gebrauchtmarkt befindlichen Fahrzeuge.


Viel erlebt hat ein Fahrzeug aus dem schwäbischen Reutlingen. 185000 Kilometer sind eine ordentliche Laufleistung, und entsprechend kann der Besitzer einiges berichten.


Zudem ist der angebotene James Cook schon der zweite in seinem Besitz. Der erste Wagen davor wurde wegen Undichtigkeiten im Dachbereich schnell wieder abgestoßen. Das Hochdach war an der Nahtstelle zur Stahlkarosserie undicht wie auch die Fenster des Dachs. „Das war eine Katastrophe“, erinnert er sich.


Testfall Nr. 2: Teure Sanierung

Der zweite, das hier beschriebene Exemplar, war ein Jahreswagen. Doch recht bald zweifelte der Mann an der Qualität des Mercedes-West­falia-Gemeinschaftswerks. Korrosionsschäden an den Hecktüren, Korrosionsschäden im Bereich der Schiebetüren, Lackabplatzer am Schweller, die vorderen Kunststoffseitenfens­ter nicht mehr richtig dicht, quietschen­de, ungefederte Sitze vorn. Die Fahrwerksschwächen, über die auch in promobil berichtet worden war, waren von vornherein durch Einbau einer zusätzlichen Goldschmitt-Luftfederung weitgehend beseitigt.


Nach fünf Jahren des Gebrauchs entschloss sich der Besitzer zur Totalrenovierung seines James Cook. Einen gewissen Ehrgeiz will er nicht ver­­hehlen: „Ich wollte den James Cook in einen Zustand versetzen, der besser als neu ist, weil mich das Konzept des Fahrzeugs nach wie vor überzeugt.“


Was ihn nicht überzeugte, war die Verarbeitungsqualität, denn er entdeckte im Innern der Hecktüren teilweise blankes, ungeschütztes Blech. Und auch außen nagte schon längst die braune Pest. Der Reutlinger schmiss die Hecktüren auf den Müll, ersetzte sie durch neue, arbeitete den Schiebetürbereich um die Führungsschiene auf, wozu auf der rechten Seite alle Möbel ausgebaut werden mussten. Glücklicherweise hat er einen Autolackierer im Bekanntenkreis, der vieles zum Freundschaftspreis erledigte.


Dennoch: Insgesamt flossen 10000 Euro in die Renovierung des Wagens, eigene Arbeit nicht mitgerechnet. Die Hohlräume bekamen eine sorgfältige Konservierung, die vorderen Kunststofffenster wichen stabilen und dichten Glasscheiben. Das riesige Plastikfenster hinten rechts blieb allerdings noch an seinem Platz und ist für den Verkäufer quasi Sinnbild für die Qualitätsmisere: Es wirft Wellen, weil möglicherweise die Temperaturdehnung bei der Konstruktion unterschätzt wurde.


Oben auf dem Dach ist das serienmäßige Lichtband wegen Undichtigkeit längst von Westfalia auf Kulanz gegen ein Glasdach ersetzt worden. Ärgerlich findet der Verkäufer auch die Anordnung der Bordbatterien in der Aussparung des Wassertanks. Wegen der besonderen Platzverhältnisse ist nur ein ausgefallenes und teures Akku-Format verwendbar. Der Besitzer kann über seinen James Cook ein ganzes Buch schreiben, so stellt er selber fest. Der Möbelbau allerdings ist, so räumt er neben aller Kritik ein, in Ordnung und solide. Die Einbauten befinden sich im Gegensatz zum Rest des Wagens noch im Originalzustand. Dass das Fahrzeug jetzt nach all der investierten Mühe verkauft wird, hat persönliche Gründe. 18900 Euro sind der ausgerufene Preis, der Käufer bekommt dafür ein stark verbessertes Fahrzeug, das karosserieseitig sehr gut sein dürfte. Rein vorsorglich wurde auch die Zylinderkopfdichtung gewechselt. Der Meister der Mercedes-Werkstatt hatte dem Besitzer dazu geraten.


Die Erfahrungen des Reutlingers sind ernüchternd. Doch sie decken sich mit Berichten anderer Sprinter-Besitzer, die oft noch ein weiteres Problem plagte. Nicht selten, so ist in Internetforen zu lesen, verabschiedeten sich die Getriebe, waren nicht mehr schaltbar, oder aber die Lager jammerten lautstark.


Ein Dauerbrenner waren die Fahrwerksschwächen des Mer­cedes-Kastenwagens. Der war nämlich ursprünglich zu Zeiten der 80km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung für Fahrzeuge oberhalb 2,8 Tonnen auf den Markt gekommen. Als dieses Limit 1998 fiel, offenbarten sich die Schwächen der frühen Sprinter-Modelle, deren Antriebe ja für 140km/h und mehr gut waren. Der Geradeauslauf der ersten James Cook auf Sprinter-Basis bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn war mangelhaft.


Dass im Laufe der Modellperiode Mercedes-Benz sukzessive nachbesserte, ist sicher. Frühe Fahrzeuge sollten vor dem Kauf aber genauestens geprüft und Probe gefahren werden.


Die Marktpreise

Viele gebrauchte James Cook auf MB Sprinter gibt der Markt nicht her. Das günstigste Internetangebot für einen 96er mit 231400 Kilometern belief sich bei unserer Recherche auf 17000 Euro.


Selbst für über zehn Jahre alte Wagen werden nicht selten 20000 Euro verlangt. Einen Preissprung gibt es nach dem ersten Sprinter-Facelift ab Baujahr 2001. Unter 28000 Euro geht gar nichts, die Spanne reicht bis über 50000 Euro. Spitzenreiter unter den Offerten von mobile.de und caraworld.de war ein Cook von 2006 für sagenhafte 53966 Euro; mit gelber Feinstaubplakette und lediglich 17000 Kilometern auf der Uhr. Mitunter überholt die Wertschätzung der Verkäufer die Realität.


Auch Eurotax-Schwacke tut sich mit der Wertermittlung des James Cook etwas schwer. Offenkundig hat man die Nachfrage unterschätzt. 2007 listete Schwacke den Händlerverkaufspreis eines zehn Jahre alten 312 D mit 122 PS noch mit 11550 Euro, korrigierte jedoch im Jahr darauf den Preis für dasselbe Modell nach oben.


Ein zehn Jahre alter Mer­cedes James Cook 312 D kostet nach den Vorstellungen von Schwacke in diesem Jahr 13400 Euro.


Bekanntermaßen kann man die Schwacke-Preise nicht ganz für bare Münze nehmen. Sonderausstattung, und davon orderten liqui­de Cook-Käufer reichlich, wird hier generell nicht berücksichtigt.


Darauf sollten Käufer achten

Nicht problemfrei sind die Sprinter zumindest der ersten Produktionsjahre. Davon berichtet auch Gerolf Happel, Kfz-Sachverständiger und Reisemobilspezialist aus Bad Endbach.


Es sind vielfach technische Probleme und Korrosionsschäden an der Karosserie, die die Freude an den Sprintern der ersten Baureihe trüben. Bei den Getrieben nennt Happel unter anderem Lagerschäden. Auf die Fahrwerksschwächen wird im nebenstehenden Bericht eingegangen. Die Rostvorsorge der Fahrzeuge war darüber hinaus nicht so, wie es der Käufer eines Mer­cedes eigentlich erwartet.


Es ist zu beachten, dass die ersten Sprinter ohne Nachrüstung derzeit keine Feinstaubplakette bekommen. Die Einfahrt in die Umweltzonen ist dementsprechend nur mit einer Ausnahmegenehmigung oder durch Nachrüstung möglich. Doch leider ist die Akzeptanz der auf dem Zubehörmarkt angebotenen Oxidationskatalysatoren in den verschiedenen Bundesländern nicht einheitlich. Baden-Württemberg beispielsweise blockiert die Eintragung der Abgasreiniger. Von Mercedes-Benz wird derzeit nichts angeboten.



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