Ganzjahresreifen sind im Trend – warum nicht auch bei Reisemobilen? Vier All-Season-Reifen der Dimension 235/65 R 16 C am Mercedes Sprinter im Wettlauf durch alle vier Jahreszeiten.
Lästig ist er, der saisonale Wechsel von Sommer- auf Winterreifen – und speziell bei Reisemobilen oft recht teuer. Zumal wenn man nicht auf die Sicherheitsvorteile eines Reifendruckkontrollsystems verzichten will – oder darf, wie bei einigen Campingbussen. Die Sensoren in den Rädern können bei der Neuanschaffung eines Winterrad-Satzes schnell mal mit 400 Euro extra zu Buche schlagen.
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Ist dieser Wechsel also wirklich nötig? Sind Allwetterreifen nicht eine ernstzunehmende Alternative, vor allem angesichts der immer milder werdenden Winter? Aber was ist, wenn dann doch die dicken Flocken tanzen? Dürfen Allwetterreifen eigentlich auch unter widrigsten Bedingungen gefahren werden?
Taugen Ganzjahresreifen bei jedem Wetter?
Continental
Winterfeste Reifen müssen die Kennung M+S tragen.
Ja, sie dürfen bei jedem Wetter gefahren werden – das ist kein Problem. Denn alle tragen die M+S-Kennung auf der Flanke, und das genügt – aus rechtlicher Sicht –, um für Schnee und Eis gerüstet zu sein. Dieses Zeichen bescheinigt dem Pneu allerdings nicht mehr als ein etwas gröberes Profil, weshalb in Zukunft die Definition von Winterreifen am neueren Schneeflocken-Symbol festgemacht werden soll, das dem Reifen nachweislich ein bestimmtes Maß an Winterqualitäten attestiert.
Die meisten Allwetter-Reifen tragen aber inzwischen auch schon zusätzlich das höherwertige Schneeflocken-Logo. Ob das aber genügt und welche Reifeneigenschaften in Extremsituationen am Ende wirklich weiterhelfen, soll dieser Vergleichstest zeigen.
Diese Reifen haben wir getestet
Mal sehen, was der Markt so bietet: In der verbreiteten Dimension 235/65 R 16 C – diese Reifen passen auf aktuelle Mercedes Sprinter, den bislang nahezu baugleichen VW Crafter sowie auf den Renault Master und die Parallelmodelle von Opel und Nissan – tummeln sich Marken- und Günstiganbieter gleichermaßen.
- Ein alter Bekannter und Vorreiter im Allwetterreifensegment für Transporter ist der Goodyear Cargo Vector. Sein Profil wirkt zwar etwas in die Jahre gekommen und auch seine Winterkennzeichnung beschränkt sich auf das M+S-Symbol, doch in Sachen Mischung wurde stets nachgebessert, das Produkt ist up to date, allerdings mit rund 200 Euro pro Stück sicherlich kein Sonderangebot.
- Im gleichen Preissegment startet der kürzlich renovierte Conti Vanco Fourseason 2, etwas günstiger der ebenso aktuelle Nokian Weatherproof, die damit auch im Testfeld mitmischen. Beide sind neben dem M+S-Logo auch mit dem Schneeflockensymbol ausgestattet, was sie als echte Winterreifen adelt.
- Verfügbar waren zum Testzeitpunkt ebenso der Pirelli Chrono Four Seasons und der Vredestein Comtrac All Season, die allerdings, wie auch der Maxxis MA-LAS, am Ende ihres Produktzyklus stehen.
- Gibt es auch günstigere Allwetterreifen? Sicher, die Angebote sind aber regional relativ unterschiedlich.
- Überregional verfügbar sowie optisch ziemlich vielversprechend mit asymmetrischem Profil und modernem Design: der Tristar Powervan 4S aus China, der über die belgische Deldo-Gruppe nach Deutschland importiert wird. Er bekommt darum auch einen Platz im Testfeld.
- Um exemplarisch darzustellen, wie sich die vier Alleskönner gegenüber Sommer- und Winterspezialisten schlagen, laufen außerdem die Nokian-Produkte C-Line als echter Sommerreifen und der Winterpneu WRC 3 im Test mit.
Zunächst die Winterprüfungen
Ingolf Pompe
Die Testfahrzeuge mit den Allwetterreifen wühlen sich durch den Schnee.
Hier müssen die Reifen bei Traktions- und Bremsmessungen Zähne zeigen. Bei der Bergprüfung muss zusätzlich eine steile und schneebedeckte Passstraße in den österreichischen Alpen gemeistert werden – auf Zeit versteht sich. Bewertet wird dabei auch, wie sicher der Reifen die Spur hält und ob der teilbeladene Sprinter sein grundsätzlich sicheres Fahrverhalten beibehält oder zu unerwarteten Reaktionen wie Unter- oder gar Übersteuern neigt.
Was geht auf Schnee? Klar ist, dass der Nokian Winterreifen hier die Nase vorn hat. In Traktion, Bremsen und Seitenführung ist er nicht zu schlagen. Dicht auf den Fersen ist ihm jedoch der Weatherproof-Allwetterreifen, ebenfalls von Nokian. Kein Wunder, sein Profil entspricht quasi dem des Vorgänger-Winterreifens. Nur bei der Seitenführung mag der finnische Allseason nicht wirklich überzeugen.
Starke Performance auf Schnee liefert auch der Conti ab. Doch auch er muss Kritik einstecken: Bei sonst überzeugenden Werten bricht sein prinzipiell guter Grip schon bei leicht durchrutschenden Antriebsrädern ein – das kostet Traktionspunkte.
Mit etwas breiter angelegten Gripreserven: Goodyear und Tristar. Während das grobe Profil des Goodyear auch in Kurven für sichere Führung sorgt, kommt der optisch modern geschnittene Tristar mit gleichzeitigen Lenk- und Traktionsaufgaben kaum zurecht: Spontanes Übersteuern droht. Abgesehen davon zeigt der China-Import akzeptable Wintereigenschaften.
Und der Sommerreifen? Auf Schnee: Gefährlich! Die Bremswege werden um bis zu 50 Prozent länger, die Steigung bergauf ist nur mit viel Gefühl und nur im Schneckentempo zu schaffen. Erst recht die Rückfahrt ins Tal treibt selbst dem abgebrühten Testfahrer Schweißperlen auf die Stirn. Nur mit Mühe und selbst im Schritttempo gelingt es kaum, den schweren Wagen auf der Straße zu halten. Ein Hauch zu viel Bremsdruck, schon blockieren die Räder, die Fuhre kommt haltlos ins Rutschen. Eine Empfehlung gibt es dafür nicht.
Test auf nasser Fahrbahn
Die Schneeprüfung ist noch längst nicht alles: Entscheidender ist fast die Performance auf Nässe, ein Fahrbahnzustand, wie er zu jeder Jahreszeit anzutreffen sein kann.
Ingolf Pompe
Reifentest auf nassem Untergrund.
Naturgemäß hat hier der Sommerreifen klare Vorteile. Warum? Sein steiferes Profil mit geringerer Profilrillen-Anzahl sowie der Verzicht auf Lamellen bringen mehr Gummi auf die Straße, der Grip wird besser. Schon das Nassbremsen zeigt: Den kürzesten Bremsweg aus 80 km/h hat Nokians Sommerreifen mit 38 Meter. Doch Contis Allwetterreifen legt nach und kommt noch vor dem Goodyear um weniger als einen halben Meter an die Pace des Nokian heran. In Seitenführung und im Handling muss sich der Sommer-Finne den beiden fast geschlagen geben. Doch Conti patzt im Aquaplaning und Goodyears Vector kommt beim Bremsen nicht ganz mit. Auch Tristar bringt trotz Top-Werten im Aquaplaning bei Bremsen und Seitenführung zu wenig, auch Nokians Weatherproof ist keine wirkliche Nässeempfehlung.
Und der Winterreifen? Hier führt der weiche Profilaufbau zu Defiziten bei Handling, Spurwechsel und Bremsen, auch die Wasserverdrängung beim Aquaplaning lässt zu wünschen übrig.
Ist die Straße trocken und warm, ist der Sommerreifen in seinem Element: Beim Bremsen aus Tempo 100 setzt der mit Nokian-C-Line bereifte Sprinter mit rund 44 Metern die Pace. Mit Winterreifen bestückt, verlängert sich der Bremsweg um erschreckende zehn Meter – was fast zwei Fahrzeuglängen entspricht. Noch drastischer lässt sich das in Form der Restgeschwindigkeit ausdrücken: An der Stelle, an der das sommerbereifte Fahrzeug zum Stillstand kommt, hätte der winterbereifte Sprinter noch immer rund 40 Sachen drauf – ein Aufprall hätte schwerwiegende Folgen.
Sie können: Goodyear und Tristar kommen sogar unter 50 Meter zum Stehen, der sonst trocken überzeugende Conti braucht rund 51 Meter. Nur Nokians Weatherproof reiht sich mit langen 54,7 Metern noch hinter seinem Winterreifen-Kollegen ein.
In Kurvendynamik und Fahrsicherheit, etwa beim schnellen Spurwechsel, kann Contis Vanco Four Seasons 2 seine Klasse unter Beweis stellen, auch der Goodyear Vector leistet sich bei vernachlässigbar zögerlichem Lenkansprechen kaum Schwächen. Mit Ausnahme der recht schwachen Bremsleistungen zeigt auch der Nokian Weatherproof eine akzeptable Trockenperformance. Lediglich der Tristar Powervan 4S bricht in den Spurwechsel- und Handlingtests aus und lässt die gerade für schwere und oft hecklastig beladene Reisemobile wichtige Stabilität vermissen.
Sicherheit bei jedem Wetter?
Ingolf Pompe
Testsieger: Continental Vanco Four Seasons 2.
Wer darauf setzt, sollte auf den saisonalen Wechsel zwischen Sommer- und Winterreifen nicht verzichten. Gibt es Alternativen? Schon, doch – das zeigt unser Test – nicht ohne Kompromisse. Selbst der Testsieger Conti Vanco Four Seasons 2 kommt weder im Sommer noch im Winter auf Schlagdistanz an die Performance der Sommer- respektive Winterreifen heran. Trotz eines weitgehend ausgewogenen Gesamtbilds leistet er sich dazu kleine Schwächen. Die Bestnote „Sehr empfehlenswert“ wird daher nicht vergeben. Eine robuste Alternative ist, speziell für Fahrzeuge ohne Schlupfregelsystem, der Goodyear Cargo Vector, dem erst mit deutlichem Abstand Nokians Weatherproof wie auch der Tristar Powervan 4S folgen können. Und wann sollten Allwetterreifen idealerweise montiert werden? Natürlich rechtzeitig zur Wintersaison. Dann steht zumindest im ersten Jahr, wenn’s drauf ankommt, die volle Profiltiefe für mögliche Schneefahrten zur Verfügung.
Allwetterreifen: So testet promobil
Um höchste Genauigkeit und Ergebnissicherheit zu gewährleisten, werden sämtliche Versuche in diesem Test mehrfach durchgeführt. Grundsätzlich erhält der beste Reifen eines Versuchs maximal zehn Punkte. Das Bewertungsschema folgt einer progressiven mathematischen Funktion. So ist sichergestellt, dass in ihren Eigenschaften nah beieinanderliegende Produkte ausreichend trennscharf bewertet werden können. Dieses Schema gilt sowohl für die objektive Bewertung durch Messgeräte als auch für die subjektive Benotung durch die spezialisierten Testfahrer, was etwa bei der Beurteilung des Komforts und des Handlings zum Tragen kommt. Beim Handling auf nasser oder trockener Bahn führt ein ausgewogenes, sicheres Fahrverhalten zu einer Optimalbenotung. Der Rollwiderstand der Reifen wird nach EU-Regularien auf Rollenprüfständen ermittelt.
Winterreifen im Test
Nokian WRC 3
Ausgezeichnete Wintereigenschaften.
Leichte Übersteuerneigung nass wie trocken, spitzer Traktionsabriss auf Schnee. Leichtes Reifensummen ab Tempo 60, etwas dröhnig. Schiebt und rubbelt in nassen Kurven.
Preis: ca. 130 Euro
Sommerreifen im Test
Nokian C-Line
Im Vergleich zu den Winter- und Allwetterprodukten ausgezeichnete Trockenperformance. Kürzeste Bremswege nass und trocken. Ordentliche Aquaplaningvorsorge, niedrigster Rollwiderstand.
Keine Winterqualitäten: Auf Schnee sofortiger Traktionsabriss, geringe Eigendämpfung.
Preis: ca. 120 Euro
Allwetterreifen im Test
Continental Vanco Four Seasons 2
Kurze Bremswege und sicheres Handling auf Nässe, akzeptable Schneeeigenschaften, harmoniert gut mit dem Fahrdynamikregelsystem des Sprinter, sehr leiser Reifen.
Geringes Feedback, geringe Lenkspontaneität, spitzer Traktionsabriss auf Schnee, schwache Aquaplaningvorsorge.
Preis: ca. 150 Euro
Goodyear Cargo Vector
Breites Traktionsangebot auf Schnee, bei guter Rückmeldung sicher auf Nässe, gute Spurstabilität, leiser Reifen.
Schwache Lenkreaktion und etwas lastwechselempfindlich auf Nässe.
Hinweis: In anderen Reifengrößen ist teilweise bereits der Nachfolger Goodyear Vector 2 erhältlich.
Preis: ca. 140 Euro
Nokian Weatherproof
Sehr gute Wintereigenschaften mit kurzen Bremswegen und guter Traktion, niedriger Rollwiderstand.
Kleine Defizite in Seitenführung und Handling auf Schnee. Unter- und Übersteuern auf Nässe, lange Bremswege auf nasser und trockener Fahrbahn. Auf trockener Bahn braver Reifen. Leichtes Wummern um Tempo 80, etwas prellig.
Preis: ca. 130 Euro
Tristar Powervan 4 S
Reifen mit akzeptabler Haftung und Längsdynamik, sehr gute Aquaplaningeigenschaften, sehr leise und komfortabel. Kleiner Rollwiderstand.
Detailschwächen, wenig ausgewogen auf Schnee, lange Bremswege, geringe Reserven und deutliches Übersteuern auf Nässe, Übersteuertendenz auch bei Spurwechsel trocken, teils Aufschaukeln.
Preis: ca. 80 Euro
Fazit
Allwetterreifen sind keine Alleskönner. Sie sind und bleiben ein Kompromiss und empfehlen sich nur dann, wenn – wie meist bei Reisemobilen – Fahrten unter Extrembedingungen auf Schnee und Eis im Zweifel auch mal verschoben werden können. Auch die Frage, ob die Nutzung von Winterreifen im Sommer eine brauchbare Lösung sein könnte, klärt dieser Test mit einem klaren „Nein“. Zur deutlich eingeschränkten Sicherheit und Fahrdynamik gesellen sich ein höherer Verschleiß und Kraftstoffverbrauch.