Wohnmobile sind Gebrauchsgegenstände – naturgemäß geht da auch mal was zu Bruch. Sei es durch Fremdeinwirkung, eigenes Verschulden oder den Zahn der Zeit: Früher oder später werden Ersatzteile fällig.
Besitzer neuerer Wohnmobile stellt das für gewöhnlich vor eine lösbare Herausforderung. Die Ersatzteilverfügbarkeit bei aktuellen Baureihen ist bei den meisten Herstellern zufriedenstellend. Besitzer älterer Semester müssen aber teilweise schon Glück haben, um an Nachschub zu kommen. Denn wird eine Baureihe eingestellt, so ist der Hersteller gesetzlich nicht verpflichtet, über einen definierten Zeitraum Ersatzteile für Reparaturen bereitzuhalten.
Die Schwierigkeiten bei der Verfügbarkeit von Ersatzteilen haben unterschiedliche Gründe. Reisemobilhersteller beziehen ihre Komponenten oft von Zulieferern. Problematisch wird das dann, wenn diese von der Bildfläche verschwinden und ihre Produkte nicht weiter vertreiben. So ging Happich – Türenlieferant für Hymer – vor einigen Jahren Pleite. Hymer kaufte daraufhin Türen im Wert von einer halben Million Euro auf, um die Ersatzteilversorgung für die nächsten Jahre zu sichern. Ein solches Vorgehen ist für den Hersteller nicht nur teuer, sondern erfordert auch immense Lagerkapazitäten, über die nicht jeder verfügen kann oder will. Hymer hat in Bad Waldsee beispielweise ein 6000 Quadratmeter großes Ersatzteillager, in dem mehr als 30.000 verschiedene Teile aufbewahrt werden. Bei Hymer bemüht man sich, nach dem Ende einer Baureihe noch bis zu 15 Jahre Ersatzteile auf Lager zu haben.
Kleinere Unternehmen sind oft nicht so gut bestückt: „Es kommt vor allem bei kleineren Serien vor, dass schon nach fünf Jahren keine Ersatzteile mehr lieferbar sind“, gibt der Reisemobilsachverständige Gerolf Happel aus dem hessischen Bad Endbach zu bedenken.
Der schnelle Modellwechsel bei den Wohnmobilmobilbaureihen tut ein Weiteres dazu, die Ersatzteilsituation unübersichtlich zu gestalten. Bei Carthago gilt folgende Faustregel: Ersatzteile werden bis zu zehn Jahre vorgehalten, darüber hinaus kann keine lückenlose Ersatzteilversorgung gewährleistet werden. Ob man also für über zehn Jahre alte Reisemobile Ersatzteile bekommt „ist vom Zufall geprägt“, so Bernd Wuschack, Geschäftsführer von Carthago. Besonders Seitenscheiben von älteren Linern sind nicht mehr durchgängig verfügbar.
Auch Zubehör-Lieferanten haben nicht alles parat
Auch gängige Teile sind manchmal nicht mehr zu bekommen. Das zeigt die Geschichte von promobil-Leser Horst Bloch: In seinem 15 Jahre alten Wohnmobil fiel die C-Heizung von Truma aus. Doch im Truma-Werk Putzbrunn konnte man ihm nicht weiterhelfen: Es seien für dieses Heizungsmodell keine Ersatzteile mehr vorrätig, auch Reparaturen würden nicht mehr durchgeführt. Auf Nachfragen von promobil stellte sich heraus, dass Ersatzteile für die Truma C-Heizung der ersten Generation nur bis zum Jahr 2008 vorgehalten wurden. Die Ersatzteile für die letzte Baureihe der C-Heizung – die von der Combi-Heizung abgelöst wurde – bleiben noch bis 2019 verfügbar. Leser Horst Bloch blieb nichts anderes übrig, als seinen Urlaub in einem kalten Mobil zu verbringen – der Einbau einer neuen, etwa 3500 Euro teuren Heizung erschien ihm mit Blick auf das Alter seines Fahrzeugs unverhältnismäßig.
Im Ersatzteillager von Truma werden alle Ersatzteile vorgehalten, die lagerfähig sind. „Schrauben kann man zum Beispiel zehn Jahre lang lagern, aber gasführende beziehungsweise sicherheitsrelevante Teile wie Magnetventile oder Dichtungen maximal ein bis zwei Jahre – dann muss nachbeschafft oder neu produziert werden“, erklärt Jutta Bringazi, die für die Öffentlichkeitsarbeit bei Truma verantwortlich ist.
Beim Truma Service können Kunden direkt Ersatzteile bestellen, bei anderen Herstellern laufen derartige Bestellungen komplett über das eigene Händlernetz.
Bei Schäden am Wohnmobil sollte der erste Gang immer zum Händler führen. Der hat bessere Möglichkeiten an die richtigen Ersatzteile zu kommen als eine Privatperson. Bei vielen Herstellern funktioniert das beispielsweise über ein Onlineprogramm. Damit kann jedes Teil exakt identifiziert und bestellt werden. Diese Vorgehensweise verhindert Fehler, die bei der telefonischen Bestellung häufig auftreten. Wenn der Kunde nur anhand von Beschreibungen oder im besten Fall eines Fotos das kaputte Teil ordert, sind Missverständnisse programmiert. Auf diese Weise ziehen sich Bestellungen unnötig in die Länge. „Wenn sich Kunden über monatelange Wartezeiten bei Ersatzteilbestellungen beschweren, liegt in den meisten Fällen ein Kommunikationsproblem zwischen Kunde, Händler und Lieferant vor“, sagt Jörn Koch, Deutschland-Importeur der französischen Marke Chausson.
Welche Teile werden am häufigsten ausgewechselt?
Die am meisten nachgefragten Teile sind übrigens diejenigen, die im Verkehr am gefährdetsten sind. „Dazu gehören unter anderem Leuchtenträger, Stoßfänger, Scheinwerfer, Blinker oder Heckspoiler. Auch typische Verschleißteile wie Dachhauben, Fenster, Wasserhähne oder Verschlüsse sind gefragt“, sagt Thorsten Manz, Geschäftsbereichsleiter vom Hymer Teileservice.
In der Regel werden lieferbare Ersatzteile innerhalb von 48 Stunden verschickt. Um den Versand zu beschleunigen, hat Chausson in Deutschland ein Pufferlager. Hier werden die gängigsten Ersatzteile gelagert und sind somit schneller verfügbar, als wenn sie erst aus Frankreich geliefert werden müssen. Sonderanfertigungen dauern natürlich länger. Diese werden dann fällig, wenn einzelne Ersatzteile nicht mehr vorrätig sind, besonders bei Möbeln ist das öfter der Fall. Generell kann die Reisemobilbranche in Sachen Verfügbarkeit, Lieferzeit und Preisgestaltung bei Ersatzteilen der Pkw-Branche nicht das Wasser reichen.
Obgleich man bei Problemen zuerst seinen Händler aufsuchen sollte, kann es Situationen geben, in denen man den direkten Weg zum Werk des Herstellers nimmt. Dort sollte man am besten angemeldet und mit einem verbindlichen Termin auftauchen, denn bei einem Spontanbesuch berichten Leser immer wieder von mehreren Tagen Wartezeit.
Die große Preisfrage bei Ersatzteilen
Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ist das eine. Der Preis steht noch mal auf einem anderen Blatt. Vor allem Sonderanfertigungen spielen in einer anderen Liga als lagernde Ersatzteile. So kosten die großen Frontscheiben von Integrierten zwischen 1100 und 3000 Euro plus Einbau und Mehrwertsteuer.
„Dieser Preis kann sich bei einem Nachbau verdreifachen“, sagt Gerolf Happel. Bei seiner Tätigkeit als Reisemobilsachverständiger hat er es tagtäglich mit den Preisen von Ersatzteilen zu tun. Generell variieren die Ersatzteilpreise – je nach Hersteller kann es zu Abweichungen von bis zu 900 Euro für dasselbe Teil kommen. Doch anders als man vielleicht denken könnte, „sind Premium-Hersteller im Vergleich nicht teurer als die anderen“, erklärt Happel. Allerdings hätten sich die Ersatzteilpreise bei einigen Herstellern in den letzten Jahren verdoppelt, führt er weiter aus, „mit Ersatzteilen kann man im Freizeitfahrzeugbereich richtig Geld machen“.
Der Preis für ein Ersatzteil erhöht sich umso mehr, je länger es gelagert wird. Aber nicht nur Lagerkosten, auch kleine Stückzahlen treiben den Preis in die Höhe. Hinzu kommt, dass „nur wenige Hersteller – etwa die Hymer-Gruppe oder Knaus-Tabbert – auf die Einhaltung der Ersatzteilpreise bei ihren Händlern achten“. Werden vom Hersteller keine Vorgaben für den Verkaufspreis gemacht, schlagen manche Händler im Schnitt bis zu 60 Prozent auf die Preisempfehlung des Herstellers drauf. Für den Endkunden ist das keine gute Nachricht, denn auf seiner Rechnung landen diese Aufschläge. Als Kunde kann man entgegensteuern, indem man sich über den üblichen Preis eines Ersatzteils informiert. Nachfragen bei verschiedenen Händlern oder auch im Werk geben darüber Aufschluss.
Vor einer Bestellung sollte man prinzipiell den Preis erfragen. Wer sich mit überhöhten Ersatzteilkosten konfrontiert sieht oder nicht mehr an ein Ersatzteil herankommt, sollte zudem überprüfen, ob das fragliche Teil nicht auch repariert werden kann. Bei Steinschlägen auf der Frontscheibe kann Reparatur eine günstige Alternative sein. Auf jeden Fall sollte man seinen Händler damit konfrontieren, ob ein Teil wirklich getauscht werden muss oder nicht. Oft ist das auch der einzige Weg, um Kosten zu sparen, denn „geheime Quellen, ob im Internet oder sonstwo, gibt es nicht. Wenn ein Teil nicht mehr vorrätig ist oder nachgebaut werden kann, hat der Kunde Pech“, sagt Jörn Koch.
An Ersatzteilen führt im Leben eines Reisemobils kein Weg vorbei – ein gutes Servicenetz und ein kompetenter Händler verhindern jedoch Probleme bei Verfügbarkeit und Beschaffung von Teilen.
Mehr Verbraucherschuz
Die Ersatzteilversorgung gehört zu einem guten Service dazu – 15 Jahre sollten schon drin sein. Dass es ab einem gewissen Alter schwierig wird, an Nachschub zu kommen, muss man mit Blick auf die Vielzahl an Baureihen wohl akzeptieren. Doch was die Preispolitik angeht, so ist sie zumindest bei einigen Herstellern fragwürdig. Firmen, die ihren Händlern keine verbindlichen Preise für Ersatzteile vorgeben, tun dies auf Kosten der Endkunden. Denn die müssen die Zeche, respektive die überteuerten Rechnungen, zahlen. Mehr Verbraucherschutz ist hier nicht nur wünschenswert, sondern unbedingt erforderlich.
Nachgefragt beim Experten
Rüdiger Zipper, Rechtsanwalt aus Schwetzingen, promobil-Experte und Präsident des EMHC
Wie lange muss ein Hersteller die Ersatzteilversorgung sicherstellen?
Zipper: Es ist nicht höchstrichterlich festgelegt, für welche Zeitdauer der Hersteller oder Händler eines Gegenstandes – beispielsweise eines Reisemobils – dafür Sorge tragen muss, dass Ersatzteile für dieses Kaufobjekt lieferbar sind.
Wieso gibt es da keine klaren Richtlinien?
Zipper: Dieser Umstand ist weitgehend unverständlich und auch schwer zu erklären. Es ist eben so, dass in manchen völlig banalen Dingen des täglichen Lebens eine höchstrichterliche Rechtsprechung, an der man sich orientieren kann, einfach nicht vorhanden ist.
Liegen zur Ersatzteilversorgung überhaupt keine Gerichtsurteile vor?
Zipper: Doch. Es gibt zum Beispiel eine Entscheidung des Amtsgerichts München von 1970, in der grundsätzlich ausgeführt ist, dass die Verpflichtung zur Lieferbarkeit und Lieferung von Ersatzteilen eine Nebenpflicht des eigentlichen Kaufvertrags ist, deren Verletzung den Verkäufer oder den Hersteller zum Schadensersatz verpflichtet. Die Zeitspanne, über die der Hersteller oder der Verkäufer verpflichtet ist, Ersatzteile für den Kaufgegenstand zu bevorraten und zur Lieferung vorzuhalten, ist nicht konkret definiert. Hier wird als Zeitmaß die gewöhnliche Betriebsdauer des Kaufgegenstandes (des Reisemobils) gesetzt. Ein Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim von 2004 folgt dieser Argumentation ebenfalls.
Wie lange währt denn die Betriebsdauer eines Reisemobils und damit die vorgeschlagene Vorhaltezeit?
Zipper: Nachdem in Besprechungen zum Thema „Lebensdauer eines Reisemobils” von einem Mindestzeitraum von zehn Jahren die Rede ist, wird man davon ausgehen müssen, dass auch die Vorhaltezeit – die Zeit, in der also ein Hersteller oder Händler verpflichtet ist, Ersatzteile zu bevorraten und vorzuhalten – zehn Jahre betragen sollte.
Was passiert, wenn der Hersteller innerhalb dieses Zeitraums keine Ersatzteile mehr liefern kann?
Zipper: Dann greift die Schadensersatzpflicht. Der Käufer des Reisemobils kann – natürlich nach vorhergehender Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung – das Ersatzteil auf Kosten des Verkäufers oder Herstellers sich in Einzelanfertigung herstellen lassen. Wenn dann die Rechtsprechung dem oben aufgezeigten Gedankengang folgt, ist damit zu rechnen, dass der Käufer des Reisemobils diesen Schadensersatzanspruch auch im Klageweg wird durchsetzen können.
Welche Wartezeit auf Ersatzteile ist noch akzeptabel?
Zipper: Innerhalb welcher Frist – in dem oben dargestellten Zeitrahmen von zehn Jahren – der Hersteller oder Händler das Ersatzteil zu liefern hat, ist wiederum nicht mit einer fest bemessenen Zeitspanne „festzuzurren“. Das orientiert sich an der Frage, ob es sich um ein Verschleißteil oder ein normalerweise „unkaputtbares” Teil eines Reisemobils handelt. Verschleißteile sollten binnen Wochenfrist zur Verfügung stehen. Auf Teile, für die nur ganz selten Ersatz notwendig ist und die daher nur ganz wenig nachgefragt werden, darf schon mit Monatsfrist gerechnet werden. Hier wählt die Rechtsprechung das Gummiwort „angemessene Frist“. Was angemessen ist, wird unter anderem nach den oben genannten Kriterien und weiteren Besonderheiten eines jeden Einzelfalles betrachtet und bemessen.